Eine kurze Geschichte der Bibliothek zu Wolfenbüttel
Die Geschichte der heutigen Herzog August Bibliothek, einstmals Hofbibliothek der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und heute Forschungsbibliothek von internationalem Rang, ist geprägt von den Wechselfällen der Politik, aber auch von der Leidenschaft der vielen, die sich für die Erhaltung, den Ausbau und die Nutzung der Sammlung engagiert haben. Die Funktionen der Bibliothek haben sich über die Jahrhunderte immer wieder verändert, was Folgen für ihre äußere Erscheinung ebenso wie für ihren Buchbestand hatte. So bedingte die Nutzung des Wolfenbütteler Bücherschatzes als Mittel der fürstlichen Selbstdarstellung, dass die bibliothekarische Erschließung und die systematische Erweiterung nur zögerlich gefördert wurden. Das wiederum führte zu einem allmählich wachsenden Rückstand gegenüber anderen großen Bibliotheken. Diese Situation änderte sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts grundlegend.
Ich habe neulich meine Bibliothec nach Wolfenbüttel transferieren und sie wiegen lassen, mit 55 Kasten, groß und klein, wiegen ungefähr 470 Zentner, 23 Pfund.
Herzog August von Braunschweig-Lüneburg an Johann Valentin Andreae (23. Januar 1644)
Die Gründung (1572–1634)
Die erste herzogliche Bibliothek in Wolfenbüttel bestand zwischen 1572 und 1618. Sie umfasste mehr als 3.800 Drucke und 1.200 Handschriften.
Die zweite Gründung (1634–1666)
1634 verstarb Herzog Friedrich Ulrich ohne männliche Nachkommen. Das sogenannte Mittlere Haus Braunschweig war damit ausgestorben. Sein Nachfolger, Herzog August, begründete eine neue Bibliothek, die im Laufe seiner rund dreißigjährigen Regentschaft von etwa 50.000 auf rund 135.000 Bücher anwächst.
Neubau und Stagnation (1666–1753)
Ihre sagenhafte Größe machte die Wolfenbütteler Bibliothek zu einem wichtigen Element der politischen Repräsentation. Zugleich bedingte ihre Größe, dass sie lange Zeit vergleichsweise geringe Zuwächse verzeichnete: Als Mittel der politischen Repräsentation war sie groß genug. Mitte des 18. Jahrhunderts verwahrte sie etwa 148.000 Drucke und 3.300 Handschriften.
Diplomaten und Gelehrte (1753–1886)
1753 verlegte Herzog Karl I. (1713–1780) die Residenz nach Braunschweig. Die fürstlichen Sammlungen wurden überführt. Einzig die Bibliothek verblieb in Wolfenbüttel, da die Rotunde weiterhin eine architektonische Sehenswürdigkeit darstellte. Durch Nachlässe wächst der Bestand bis zum Ende des 19. Jahrhunderts allmählich auf rund 300.000 Drucke und 7.000 Handschriften.
Modernisierungen (1886–1968)
Die Bewahrung des Wolfenbütteler Bücherschatzes verdankte sich oft dem persönlichen Einsatz der Bibliothekare. Immer wieder gelang es, politische Entscheidungsträger vom einzigartigen Charakter der Bibliothek zu überzeugen und so ihre Anpassung an die sich wandelnden Bedürfnisse zu ermöglichen.
Bis zur Mitte des 20. Jahrhundert stagnierte der Bestand. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich die Bibliothek an Reparationsleistungen in Form von Büchersendungen zum Wiederaufbau der Universitätsbibliothek Löwen zu beteiligen. Im Zweiten Weltkrieg kam es zu keinen nennenswerten Verlusten. Ob sich in ihrem Besitz auch Bücher befinden, die während der Nazi-Herrschaft unrechtmäßig angeeignet wurden, wird seit 2020 untersucht.
Bis 1968 wuchs der Bestand auf rund 500.000 Drucke und etwa 9.000 Handschriften.
Erweiterungen (1968–2022)
Auf den Umbau der Bibliotheca Augusta folgte unter dem Direktor Paul Raabe (1927–2013) eine Phase des Ausbaus. Die vom Land Niedersachen intensiv geförderte Transformation zu einer Forschungsbibliothek führte zu einer erheblichen institutionellen und baulichen Erweiterung. In Raabes Amtszeit wuchs der Bestand auf rund 766.000 Bücher und 11.600 Handschriften. Im Jahr 2022 besitzt die Herzog August Bibliothek knapp eine Million Bücher und 12.400 Handschriften.