Die Bibliothek im Buch

Nicht nur die in ihr verwahrten Drucke und Handschriften, auch die Bibliothek als Ganzes – als Gebäude und als Institution – ist seit dem 17. Jahrhundert immer wieder Thema und Gegenstand von Büchern geworden. Viele Autorinnen und Autoren waren der Bibliothek persönlich verbunden: Als Beamte des Herzogs, Bibliothekare oder Direktoren hatten sie gute Gründe, die Bibliothek in ein günstiges Licht zu rücken. Die von ihnen beschriebenen Vorzüge veränderten sich über die Jahrhunderte und künden vom Wandel der Absichten und Erwartungen, die sich mit dem Wolfenbütteler Bücherschatz verbanden.

Die Abhandlung über die Bibliotheca Augusta Eurer Durchlauchtigsten Hoheit wird mir die Gelegenheit geben, gleichsam in einer öffentlichen Schrift die fromme Verehrung meines Fürsten zu bekunden.

Hermann Conring an Herzog August von Braunschweig-Lüneburg (7. April 1661)

Hofbibliothek

Als Hofbibliothek erfüllte die Wolfenbütteler Sammlung auch eine repräsentative Funktion gegenüber anderen Fürstenhöfen. Zu diesem Zweck entstanden auch verschiedene Publikationen, die die Größe und den Ruhm des Bücherschatzes verkündeten.

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Gelehrtenbibliothek

Nachdem Herzog Karl I. 1753 seine Residenz nach Braunschweig verlegt hatte, unterzog er die fürstlichen Sammlungsbestände einer Neuorganisation. Neben dem Kunst- und Naturalienkabinett sollte auch die in Wolfenbüttel verbliebene Bibliothek zu einem Studienort für Gelehrte werden.

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Forschungsbibliothek

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde aus der Gelehrtenbibliothek eine moderne Forschungsbibliothek. Als solche stellt sie ihre reichen Bestände nicht nur zur Verfügung, sondern fördert und betreibt selbst deren Erforschung.

1650 erschien eine mehr als 1.000 Seiten starke Festschrift zum 70. Geburtstag von Herzog August, die u. a. seine besonderen Qualitäten als gelehrter Regent hervorhebt.

Martin Gosky (Hrsg.): Arbustum vel Arboretum Augustaeum, Aeternitati ac domui Augustae Selenianae sacrum, Wolfenbüttel: Stern 1650. HAB: H: T 904.2° Helmst. (1)

Neben Lobgedichten auf die Bibliothek zeigt ein Kupferstich Herzog August inmitten seiner Bücher.

Conrad Buno: Herzog August in seiner Bibliothek, aus: Martin Gosky (Hrsg.): Arbustum vel Arboretum Augustaeum, Aeternitati ac domui Augustae Selenianae sacrum, Wolfenbüttel: Stern 1650. HAB: H: T 904.2° Helmst. (1)

Eine eigene Lobschrift auf die Bibliothek und ihren Gründer verfasste 1649 der herzogliche Kanzler Johann Schwarzkopff.

[Johann Schwarzkopff]: Bibliotheca Augusta, o. O.: o. D. [1649]. HAB: M: Bb 2538 (1)

Sie wurde im Abstand von wenigen Jahren immer wieder neu gedruckt und vermutlich an Besucher*innen der Bibliothek ausgegeben.

[Johann Schwarzkopff]: Bibliotheca Augusta, o. O.: o. D. [1651]. HAB: M: Bb 2269 (2)

Während der Text jeder Ausgabe identisch blieb, wurde die Anzahl der in der Bibliothek befindlichen Bücher von Mal zu Mal genauestens aktualisiert.

[Samuel Closius/Johann Schwarzkopff]: Bibliothecae Augustae, [Lüneburg]: [Stern] [1660]. HAB: M: Bb 2268

Die dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg gewidmete Topographia von Martin Zeiller und Matthäus Merian wurde der teuerste Band der gesamten Reihe. Ungewöhnlich war die Bildlösung mit zwei Innenansichten des Bibliotheksraumes.

[Caspar Merian nach Conrad Buno]: F[ürstlich]B[raunschweig-]L[üneburgische] Bibliotheca in Wolffenbüttel, in: Martin Zeiller, Matthäus Merian: Topographia und Eigentliche Beschreibung Der Vornembsten Stäte, Schlösser auch anderer Plätze und Örter in denen Hertzogthümer[n] Braunschweig und Lüneburg, Frankfurt a. M.: Merian 1654. HAB: Top 1 a : 05.2

Die Außenansicht verschwieg, dass sich im Erdgeschoss des Gebäudes die Pferdeställe des Hofes befanden.

[Caspar Merian nach Conrad Buno]: Fürstliche Bibliothec in Wolfenbüttel wie solche von Aussen anzusehen, in: Martin Zeiller, Matthäus Merian: Topographia und Eigentliche Beschreibung Der Vornembsten Stäte, Schlösser auch anderer Plätze und Örter in denen Hertzogthümer[n] Braunschweig und Lüneburg, Frankfurt a. M.: Merian 1654. HAB: Top 1 a : 1

Die Bibliothek ist der mit Abstand am häufigsten dargestellte Ort des Bandes, was ihre besondere Bedeutung für die fürstliche Selbstdarstellung unterstreicht.

[Caspar Merian nach Conrad Buno]: Das Fürstl. Schloss in der Vestung Wolffenbüttel, in: Martin Zeiller, Matthäus Merian: Topographia und Eigentliche Beschreibung Der Vornembsten Stäte, Schlösser auch anderer Plätze und Örter in denen Hertzogthümer[n] Braunschweig und Lüneburg, Frankfurt a. M.: Merian 1654. HAB: Top 4 a : 22

Die einflussreichste Schrift über die Bibliothek stammt vom Juristen Hermann Conring, Professor an der nahegelegenen Universität Helmstedt und enger Berater Herzog Augusts. Seine Ausführungen wurden in etlichen Gelehrtenhandbüchern, Lexika und Journalen weiterverbreitet.

Hermann Conring: De Bibliotheca Augusta, Helmstedt: Müller1661. HAB: A: 44.1 Rhet.

Unter der Regentschaft von Herzog Karl I. (1713–1780) wurde die Bibliothek wiederum stark vermehrt. Ihre Funktion als Denkmal der Welfendynastie unterstrich die 1744–1746 anlässlich ihres 100. Jubiläums in drei Bänden publizierte Geschichte der Bibliothek.

Jakob Burckhard: Historia Bibliotheca Augustae Quae Wolffenbutteli Est, 3 Tle., Leipzig: Breitkopf/Wolfenbüttel: Meisner [1744]–1746. HAB: M: Bb 4° 888:1–3.

In seiner Zeitschrift Zur Geschichte und Litteratur stellte Lessing zwischen 1773 und 1781 der gelehrten Welt ausgewählte Fundstücke aus der Wolfenbütteler Bibliothek vor.

Gotthold Ephraim Lessing: Zur Geschichte und Litteratur. Aus den Schätzen der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, 6 Tle., Braunschweig: Waisenhaus 1773–1781, Erster Beytrag (1773). HAB: Wa 5402:1

Lessings Konzept einer bibliographischen Blütenlese folgten mehr als ein halbes Jahrhundert später die Hundert Merkwürdigkeiten des Bibliotheksleiters Karl Philipp Schönemann (1801–1855).

Karl Philipp Christian Schönemann: Hundert Merkwürdigkeiten der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Hannover: Culemann 1849. HAB: M: Bb 2523 (1)

Nur drei Jahre danach erschien eine Fortsetzung. Insgesamt beschreibt Schönemann 300 besonders seltene und kostbare Handschriften, Drucke und Bilder.

Karl Philipp Christian Schönemann: Zweites und drittes Hundert Merkwürdigkeiten der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Hannover: Culemann 1852. HAB: M: Bb 2523 (2)

Anlässlich der „Versammlung deutscher Geschichts- und Alterthumsforscher“ im September 1863 verfasste Schönemanns Nachfolger Ludwig Konrad Bethmann (1812–1867) eine Biografie über Herzog August als „Gründer der Wolfenbüttler Bibliothek“.

Ludwig Konrad Bethmann: Herzog August der Jüngere, der Gründer der Wolfenbüttler Bibliothek, Wolfenbüttel: [Bindseil] 1863. HAB: HS 09-0525

Erst Bethmanns Nachfolger, Otto von Heinemann (1824–1904), machte darauf aufmerksam, dass sich bereits drei Generationen früher, unter Herzog Julius, eine Bibliothek in Wolfenbüttel befunden hatte.

Otto von Heinemann: Die Herzogliche Bibliothek zu Wolfenbüttel 1550–1893. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Büchersammlungen mit einem Anhang von Dokumenten und Archivstücken, 2. Aufl. Wolfenbüttel 1894. HAB: M: Bb 2353

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts befand sich das überwiegend in Fachwerk errichtete Bibliotheksgebäude in einem maroden Zustand. In einer anonymen Schrift forderte der Leiter des Landesarchivs, Paul Zimmermann (1854–1933), für die bedeutende Büchersammlung ein neues Gebäude zu errichten – in Braunschweig.

Wahrm und Unverhohlen [= Paul Zimmermann]: Die Wolfenbüttler Bibliothek und das Bibliothekswesen im Herzogthume Braunschweig. Ein wohlgemeinter Mahnruf, Hannover: Culemann 1878. HAB: M: Bb 2600 (1)

Im 1886 – in Wolfenbüttel – errichteten Neubau waren erstmals museale Räume für ein interessiertes Publikum eingerichtet. Ein vom Direktor Wilhelm Herse (1879–1965) herausgegebener Bildband zeigt Lesesäle und Schauräume.

Wilhelm Herse: Die Herzog August-Bibliothek in Wolfenbüttel, Halberstadt: Koch [1928]. HAB: Wa 104

Neben Gelehrten sollten zunehmend auch Tourist*innen und Ausflügler angesprochen werden.

Heinz Grunow: Wolfenbüttel mit weltberühmter Bibliothek, Wolfenbüttel: Fischer o. J. HAB: Wg 3216

Nach dem Zweiten Weltkrieg betonte Direktor Erhart Kästner (1904–1974) die Einzigartigkeit der Wolfenbütteler Bibliothek. Sie sei durch ihre Lage und ihre institutionelle Ungebundenheit „zu nichts verpflichtet außer zu sich selbst“.

Erhart Kästner: Über Bücher und Bibliotheken. Dresden und Wolfenbüttel, hrsg. von Wolfang Milde, Paul Raabe, Wolfenbüttel 1974.

Sein Konzept einer Bibliotheca illustris („schöne Bibliothek“) hat Kästner in verschiedenen Schriften formuliert.

Erhart Kästner: An meinen Nachfolger. Erhart Kästners Vermächtnis als Direktor der Herzog August Bibliothek, hrsg. von Helwig Schmidt-Glintzer, Wiesbaden 2015.

Ab den späten 1960er Jahren erfolgte unter Direktor Paul Raabe (1927–2013) der Um- und Ausbau zu einer Forschungsbibliothek von internationalem Rang. Einige Publikationen verweisen weiterhin auf den einzigartigen Bestand.

Paul Raabe: Ein Schatzhaus voller Bücher. Die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, 3. Aufl. Hannover 1985.

Ein Bildband dokumentiert die baulichen und institutionellen Vergrößerungen.

[Paul Raabe, Günter Schöne]: Die Herzog August Bibliothek im Wandel. Ein Bericht in Bildern 1971–1981, Wolfenbüttel 1981.

Eine bedeutende Neuerung war die Einrichtung von Stipendienprogrammen, die langfristige Forschungsaufenthalte ermöglichen.

Jill Bepler (Red.): Doktorandenförderung in Wolfenbüttel, Hildesheim 2014.

Das Leben der Stipendiat*innen in Wolfenbüttel wurde sogar Gegenstand eines Romans.

Uta Treder: Die Alchemistin, Frankfurt a. M.: Insel 1993.

Den Erfordernissen einer vielfältig genutzten Forschungsbibliothek entsprach auch die Gründung einer eigenen Restaurierungswerkstatt.

Almuth Corbach (Hrsg.): Auch Bücher altern. Bestandserhaltung in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, Wiesbaden 2012.

Sammlungsführer sollten einem bildungsbürgerlichen Publikum einen Einblick in den Bestand und seine Geschichte geben.

Paul Raabe u. a.: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Braunschweig 1978.

Außerdem entstanden auch Handreichungen für junge Besucher*innen.

Marianne Flotho: Bücherschätze der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Ein Begleiter für Jugendliche und Erwachsene, Wiesbaden 2011.

Zunehmend wurde auch die jüngere Geschichte der Bibliothek Gegenstand von Untersuchungen.

Georg Ruppelt: Von der Herzoglichen Bibliothek zur Herzog August Bibliothek. Geschichte der Wolfenbütteler Bibliothek von 1920 bis 1949, Göttingen 1980.

Ein Lexikon verschaffte eine erste Übersicht über die komplexe Geschichte der Bibliothek und ihre Sammlungen.

Georg Ruppelt, Sabine Solf (Hrsg.): Lexikon zur Geschichte und Gegenwart der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, Wiesbaden 1992.

Unter dem Direktorat von Helwig Schmidt-Glintzer präsentierte sich die Bibliothek verstärkt als Einrichtung des Kulturerbes.

Helwig Schmidt-Glintzer: Herzog August Bibliothek. Ein kulturelles Gedächtnis mit Profil. Forschungs- und Studienstätte, Wolfenbüttel [1998].

Zugleich sollte die Bibliothek mehr als zuvor zu einem Ort der Kulturvermittlung und des gesellschaftlichen Austauschs werden.

Die Bibliothek als kulturelles Gedächtnis. Die Herzog-August-Bibliothek unter der Leitung von Helwig Schmidt-Glintzer (von 1993 bis 2015), Wolfenbüttel 2015.

Zu den aktuellen Aufgaben gehört es, die Bibliothek für die Zukunft zu ertüchtigen. Damit sind nicht zuletzt bauliche Herausforderungen verbunden.

Peter Burschel u. a. (Hrsg.): Was wäre, wenn …? Studentische Entwürfe für eine Erweiterung der Herzog August Bibliothek, Ausst.kat., Berlin 2016.

Die seit 1667 geführten Besucherbücher wurden zum Gegenstand eines unterhaltsamen Essaybands.

Hole Rößler, Marie von Lüneburg (Hrsg.): Bitte eintragen! Die Besucherbücher der Herzog August Bibliothek 1667–2000, Wiesbaden 2021.

Zum 450. Jubiläum legt Direktor Peter Burschel erstmals seit über 120 Jahren wieder eine Geschichte der Bibliothek von ihren Anfängen bis in die Gegenwart vor.

Peter Burschel: Die Herzog August Bibliothek. Eine Geschichte in Büchern, Berlin 2022.