Die Taten der Bibliothek
Wie schreibt man die Geschichte einer Bibliothek? Gerade nicht, so Lessing 1773, indem man die „Umstände ihrer Entstehung und ihrer allmäligen Vermehrung mit einer ängstlichen Gewissenhaftigkeit her erzählet“. Vielmehr komme es darauf an, „daß man zeigt, wozu es denn der Gelehrsamkeit und den Gelehrten genutzt habe, daß so viele Bücher mit so vielen Kosten hier zu Haufe gebracht wurden. Das allein sind die Thaten der Bibliothek: und ohne Thaten giebt es keine Geschichte.“ Die „Taten“ der Wolfenbütteler Bibliothek: Nicht die Bücher, die sie besitzt, sondern die aus ihr hervorgegangenen Bücher sind ihre Geschichte.
Im Laufe ihrer langen Geschichte war die Wolfenbütteler Bibliothek an der Entstehung zahlreicher Bücher beteiligt: Gelehrte Abhandlungen, Romane, Theaterstücke und Künstlerbücher ebenso wie Editionen, Faksimiles und Kataloge sind die Früchte dieses einzigartigen Bücherschatzes.
Nicht zuletzt führte die Gründung eines Hausverlags vor fast 50 Jahren dazu, dass in der Bibliothek selbst Bücher produziert werden: „Wir machen Bücher“.
Es kömmt darauf an, daß man zeigt, wozu es denn der Gelehrsamkeit und den Gelehrten genutzt habe, daß so viele Bücher mit so vielen Kosten hier zu Haufe gebracht wurden. Das allein sind die Thaten der Bibliothek: und ohne Thaten giebt es keine Geschichte.
Gotthold Ephraim Lessing:
Zur Geschichte und Litteratur 1 (1773)
Fürsten als Autoren
Neben gelehrten Leser*innen nutzten auch die Herzöge und ihre Angehörigen die Bibliothek von Wolfenbüttel zum Studium und als Grundlage eigener Bücher.
Erarbeitete Vergangenheit
Nicht nur die thematische Breite, sondern auch die Dichte der historischen Quellen im Bestand der Bibliothek ermöglichte umfangreiche Abhandlungen über einzelne Gegenstände.
Lessings Funde und Erfindungen
Der Herzog, schrieb Lessing kurz nach seinem Dienstantritt in Wolfenbüttel, habe mehr den Wunsch, „daß ich die Bibliothek, als daß die Bibliothek mich nutzen soll“. Tatsächlich las und exzerpierte Lessing ausgiebig die alten Drucke und Handschriften.
Das Archiv der Sprache
Oft ist das geschriebene Wort das einzige Zeugnis der gesprochenen Sprache vergangener Zeiten.
Benutzer*innen machen Bücher
Nicht nur Lektüre und Studium, auch das bloße Entleihen von Büchern brachte Bücher hervor: Seit 1664 wurden die Ausleihen aus der Wolfenbütteler Bibliothek systematisch erfasst. Dadurch wurden nicht zuletzt die Lektüreinteressen adeliger und bürgerlicher Leser*innen dokumentiert.
Editionen
Um den Etat für den Bucherwerb aufzustocken, schlug Leibniz 1690 vor, seltene Werke der Bibliothek in gedruckten Editionen zu veröffentlichen, was für die gelehrte Welt nützlich und überdies dem Herzog „glorios und rühmlich“ sein würde. Obschon der Plan in dieser Form nie umgesetzt wurde, entstanden zahlreiche Editionen nach den Wolfenbütteler Beständen.
Faksimiles
Neben Editionen waren es Faksimileausgaben, über die Wolfenbütteler Raritäten und Unikate in viele Wohnzimmer, Studierstuben und Lesesäle gelangten.
Kataloge
Kataloge informieren darüber, welche Bücher eine Bibliothek besitzt und wo sie zu finden sind. Dabei nehmen sie selbst oft die Form von Büchern an, die mitunter im Druck vervielfältigt werden.
Hintersinnige Geschenke
Die repräsentative Bedeutung der Bibliothek für den Wolfenbütteler Hof motivierte immer wieder zu Büchergaben. Herausgeber, Verleger- und Autor*innen widmeten ihre gedruckten Werke den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg in der Hoffnung auf eine lukrative Gegengabe.
Vom Buch zur Kunst
Auch für Künstler*innen sind Bibliotheken ein inspirierender Quell fremdartiger Vorstellungs- und Bilderwelten.
Mit mehr als 4.000 Exemplaren verfügt die Herzog August Bibliothek über eine bedeutende Sammlung von Künstlerbüchern des 20. und 21. Jahrhunderts. Viele von ihnen weisen einen Bezug zum alten Buch auf. Sie sind somit Teil der Bibliothek und zugleich deren Kommentar. Eine Reihe von Künstler*innen hat Künstlerbücher geschaffen, die sich auf ganz konkrete Objekte der Wolfenbütteler Bibliothek beziehen.